Juni 2002 nach Schottland
Heuer mal ganz was Neues: Um Kilometer und Kräfte zu sparen, fahren wir eine große Etappe - von München bis Köln - mit dem Autoreisezug. So bleibt genug Zeit, sich auch in Amsterdam noch ein wenig um zu schauen! Um 18:00 legt dann die Fähre Richtung Newcastle ab. Von dort sind's nur wenige Meilen bis zur schottischen Grenze.
Der Linksverkehr ist mit dem Motorrad erstaunlich leicht zu bewerkstelligen, obwohl wir gleich am Hafen schon auf eine harte Probe gestellt werden: Unmengen Roundabouts - und alle "falsch-rum"! Wohlbehalten, aber vom ersten Regen begossen, erreichen wir Jedburgh, wo wir uns für einige Tage bei Mrs. Kingshorn einquartieren.
Am Abend zeigen sich schon wieder blaue Flecken am Himmel und bei einem Spaziergang lernen wir alle typischen Attribute Schottlands kennen:
Schafe, grüne Hügel, Wind und Wolken.
Eine Fahrt durch die Borders, den südlichsten Teil Schottlands, bringt uns zum Carter Bar und zum Scot's View. Beide Aussichtspunkte bieten einen grandiosen Blick über die leicht hügelige Landschaft.
Nicht nur die Landschaft, auch die Straßen sind grandios! Sie sind wunderbar kurvig, hüglig und in einwandfreiem Zustand. Nur die Mauern und Hecken machen sie manchmal unübersichtlich und das Anhalten ist nicht bei jedem fotogenen Anblick so leicht möglich.
Das nächste Ziel ist Edinburgh, wo das neue schottische Parlament regiert. Prince's Street Garden und Caulton Hill schaffen wir noch, aber auf dem Weg zur Royal Mile und Cannongate fängt der Nieselregen an und wird immer Stärker - eine gute Gelegenheit, um gemütlich in einem Cafe zu sitzen und reichlich Postkarten zu schreiben...
Das nächste Quartier finden wir in Pitlochry, einer - für schottische Verhältnisse - großen Stadt zwischen Edingurgh und Inverness. Wir bleiben für einige Tage im Wellwood House. Von hier aus machen wir einige Touren:
- Durchs Glen Lyon und zum Queen's View am Loch Tummel.
- Am Loch Toy und Loch Earn entlang nach Perth und zum Scone Palace, wo einst auf dem Stone of Scone die schottischen Könige gekrönt wurden.
- Über die Grampian Mountains an die Ostküste zum Dunnottar Castle bei Stoneheaven - den ganzen Tag im Nebel!
Das Beste aber ist, dass unser Bed & Breakfast mitten in der Stadt liegt, so können wir abends auch noch durch die Pubs und Restaurants touren. Live-Musik gehört hier am Wochenende zum Standardprogramm.
Ob MacDonald's Restaurant, das wir in Pitlochry gefunden haben das Stammhaus der bekannten Lokale mit dem goldenen "M" ist?
Als ausgesprochene Whisky-Fans sind Distilleries ein Muss:
Edradour - mit drei Mitarbeitern in der Produktion und 15 Fass pro Woche, die kleinste Distillery.
Blair Athol - produziert ca. 45 Fass pro Tag, die hauptsächlich für den Blended Bell's Whisky verwendet werden.
Dalwhinnie - leider keine Zeit für eine Führung, aber schmeckt sehr gut.
Glenmorangie - mit ca. 100 Fass pro Tag eine der größten Singlemalt-Distilleries. Und diese Menge wird 10 bis 17 Jahre eingelagert!
Wegen Regens am Morgen starten wir erst spät zu einer Tour nach Spean Bridge und Fort William, von wo es durchs Glen Coe - eines der schönsten Täler - wieder nach Süden geht. Atemberaubend: der Regenbogen mitten im engen Tal.
Unser Nächstes Quartier (Dilraloch B&B) liegt ausserhalb von Inverness, ganz in der Nähe von Culloden. Auf dem dortigen Schlachtfeld haben die Schotten 1746 ihre letzte Schlacht gegen die Engländer verloren.
Ebenfalls ganz in der Nähe: die Clava Cairns, Steinhaufen aus prähistorischer Zeit, mit einem runden Freiraum in der Mitte. Man vermutet, dass es sich um Grabkammern handelt, aber genaues weiß man nicht.
Inverness ist meine Lieblingsstadt in Schottland! Mit den vielen Brücken, die den River Ness überspannen hat sie sich den Charm einer Kleinstadt bewahrt. Und Pubs und Restaurants gibt's reichlich.
Eine Tagestour führt uns zum Fort George, einer riesigen Festungsanlage, die die Engländer nach der Schlacht von Culloden errichtet haben, um die Meerenge zwischen Moray Firth und Beauly Firth - dem Hafen von Inverness - zu bewachen.
Bei Culbin Sands erwartet uns hinter grasbewachsenen Dünen ein kilometerlanger, breiter Sandstrand. Im 19. Jahrhundert wurde der Sand von einem schweren Sturm aus dem Meer gespült und hat ein Fischerdorf verschluckt. Angeblich findet man immer noch gelegentlich Gegenstände im Sand...
Auch eine Tour um den Loch Ness darf natürlich nicht fehlen. Die 5 £ Eintritt zu den Ruinen des Urquhart Castle sparen wir uns - auch vom Parkplatz ist der Anblick nicht schlecht. Übrigens: das Monster haben wir leider nicht gesehen!
Interessanter sind in jedem Fall die Schleusentreppen von Fort Augustus, wo der Caledonian Canal gut 20 m Höhenunterschied überwinden muss.
Ein weiterer Ausflug bringt uns auf die Black Isle - eigentlich eine Halbinsel - von der wir mit der kleinsten Fähre der Brittischen Insel übersetzen. Gerade zwei Autos haben darauf Platz. Im Cromarty Firth sehen wir viele, riesige Ölplattformen. Ob hier gebohrt, oder die stählernen Inseln nur instandgesetzt werden, konnten wir nicht in Erfahrung bringen.
Der weitere Weg bringt uns über Dornach nach Lairg, in die echten Highlands, wo das Land nur noch dünn besiedelt ist. Auf dem Rückweg über Bonar Bridge spült uns dann ein Gewitter fast von der Straße - da ist die beste Regenkombi überfordert!
Unser nächstes Bed & Breakfast finden wir in Wick, ganz im Nordosten. Von hier aus geht's nach John-o-Groats, dem Tor zu den Orkney's. Die Fähre zu den Inseln im Norden verpassen wir knapp - dafür ist Deutschland im Viertelfinale der Fußball-WM!
Am Duncansby Head wandern wir zu den markanten Vogelklippen, wo auf mehreren Etagen, die verschiedensten Vogelarten brüten: Möven, Papageitaucher und ganz unten glauben wir Pinguine gesehen zu haben?!
Über Dunnet Head - den wirklich nördlichsten Punkt des Brittischen Festlands - und Thurso fahren wir auf Singletracks durchs Hochmoor. In dieser Gegend kommt echtes Highlander-Feeling auf:
- weite, baumlose Moorlandschaft
- Wind und Wolken brausen über den Himmel
- sonnige Flecken wandern leuchtend über die saftig-grünen Wiesen
- Einsamkeit pur!
Dann brechen wir zu einer großen Etappe auf, die uns immer an der Küste entlang um die Nordwest-Ecke Schottlands führt. Über Tongue, Durness und Lochinver erreichen wir schließlich Ullapool.
Aber so wenig Orte es auf der Strecke gibt, so viel Landschaft kann man genießen. Die Straße - meist Singletrack - führt immer an der Küste entlang: tolle Steigungen und Kurven!
Die Highlands zeigen sich hier schroff und felsig. Nach jeder Kurve möchte man stehen bleiben und ein Foto schießen. Besonders empfehlenswert ist ein winziger Singletrack südlich von Lochinver, der über Aird of Cogach durch den Inverpolly Forest führt.
In Ullapool, wo wir dann eine Nacht bleiben, holt uns die Zivilisation wieder ein. Aber nach dem anstrengenden Tag haben wir uns das überragende Steak im Braes Restaurant auch verdient.
Am nächsten Tag geht's wieder an der Küste entlang über Gairloch, am Loch Maree entlang nach Kinlochewe, Shieldaig, Lochcarron und schließlich nach Dornie - direkt beim meist fotografierten Eilean Donan Castle. Bei orkanartigem Sturm - bis 120 km/h - macht Motorradfahren keinen rechten Spass mehr. Sogar ein voll beladenes Motorrad wird einfach umgeweht!
Der Sturm bleibt uns dann noch einige Tage erhalten, so dass auch eine Fahrt auf die Isle of Skye wegen sintflutartigem Regen buchstäblich ins Wasser fällt.
Schließlich machen wir uns über Invergarry, Fort William, Callandar, Stirling, an Edinburgh vorbei wieder auf den Heimweg. In Jedburgh übernachten wir nochmal und gelangen problemlos wieder nach Newcastle.
Die Nacht auf der Fähre ist wieder recht kurz. Dann erwarten uns noch zwei Tage auf der Autobahn, mit Zwischenstopp bei Aschaffenburg. Vor allem die ungewohnte Hitze macht uns ziemlich zu schaffen.